/ Ach so, na klar!

David Sickinger

EVENT
/// rimbeaud
/// Rimbeaud, frühe französische Pop Ikone, die Nr.1 unter den visonären Wort-Produzenten, beschäftigte mich schwer: den Grund dafür wollte ich zum Gegenstand einer Veranstaltung machen.

Im Sommer 2001 bat mich das Künstlerhaus Stuttgart dort eine Veranstaltung zu machen.

Rimbeauds Sprachgebäude suchen sicherlich ihresgleichen. Und wie sie suchen: ständig wahnsinnig stolz keinen zu finden! Ein unter Strom gesetztes Rauschen von Farben und Intensitäten: alle, alles soll neu sein, das erste mal sein, einen sowas von dermaßen umhauen. Hysterische Adoleszenz in flirrenden Wortketten.

Rimbeausches Gefasel sagte ich damals immer: weil es mir nämlich, so schön ich es fand, zu dieser Zeit vor allem wahnsinnig auf die Nerven ging. Das lag daran, das es kurz nach meinem Aufenthalt in Hamburg bei der selbstorganisierten und -verwalteten Kustakademie Isotrop war: wir waren ein Zusammenschluß einer Menge solcher jungen, sich als hochgezüchtete Künstlersubjekte gebärenden Leute, die sich und alles neu und anders abfeierten.
Und das auf eine Weise, die einem auf die Dauer einen schweren Kopf von so viel Hedonismus machte. Und auch von den dazugehörenden Rauschmitteln.

Das dreizehnte Rimbeaud-Symposium sollte also stattfinden: dreizehn um eine Ahnung davon zu vermitteln, das schon allerhand Vorarbeit unternommen worden war. Es sollte ein Diskurs dargestellt werden, der genau dort hineinleuchtet: Hedonismus, Hysterie, Sozialität.

Rimbeaud selbst bot ja einen Ausgang an: er hörte noch als ganz junger Mann mit dem Schreiben auf, ging nach Arabien und wurde furztrockener Kaufmann. Leider, und doch sehr gut passend, holte er sich dann einige malerische Krankheiten und kehrte nach einem kurzen Leben zum Sterben nach Frankreich zurück.

Dieser Schritt, den Einsatz seiner eigenen Existenz in einen künstlerischen Entwurf soweit zu integrieren, das die Neubestimmung der Existenz durch eine konzeptuelle Geste geschehen könne - die eigene Existenz als Karte setzen zu können in einer Struktur, die wiederum auch nur Metapher ist für eine selbst erdachte Idee - das wäre eine rimbeausche Praxis. Und als Ableitung von Rimbeauds Lebensentscheidung, jener Entscheidung für Arabien, bietet sich eine Neuerfindung eigentlicher Bürgertugenden, der civitas, an, die noch als Spielregeln funktionieren könnten.

Sein Abschied vom alten Europa nahm er nach einer Anekdote der ziemlich schillernden Beziehung zu dem Dichter Verlaine. Dieser besuchte ihn bei einer Hauslehrerstelle, zu der er sich verkrochen hatte, um ihn zu einer Rückkehr ins Kulturleben zu überreden. Rimbeaud schlug ihn mit einem Spazierstock nieder und ließ ihn blutend liegen. Das ganze ereignete sich, na wo?, im schönen Stuttgart, am Ufer des Neckars.

In der Ausstellung sollte es eine Skulptur des niedergeschlagenen Verlaines geben, dazu eine große Hängewand bei der auf Einzelbrettern die maßgeblichen Stichwörter des Gedankenraumes verzeichnet gewesen wären. Dazu moderierte Gesprächsrunden und Vorträge.

Leider wurde nichts daraus. Auf dem Weg ist mir die Sache entglitten. Die Ausstellung hieß dann: "Ich bin zu glücklich als das ich es euch sagen könnte" -der Titel ist bei dem holländischen Künstler Jan Baas Ader geklaut, dessen Arbeiten ich damals kennengelernt hatte und sehr beeindruckend fand. Ader hatte mal eine Ausstellung gemacht, die 'Ich bin zu unglücklich, als das ich es euch sagen könnte gemacht' hieß. Er hat eine Menge sehr spannender Arbeiten gemacht, die lustig, schön und schlau über das Scheitern berichten. Er war recht bekannt damals, Anfang der 70er, und dann machte er eine Arbeit, die 'In the search for the miraculous' hieß. Er segelte allein über den Atlantik. Ader war ein geübter Segler und die Atlantiküberquerung war an sich nichts außergewöhnliches. In zwei Galerien, einer in Holland und einer in den Staaten, wurden Berichte ausgestellt, die er von seinem Boot funkte. Und dann, während der Überfahrt, während der Suche nach dem Wunderbaren, bricht der Kontakt ab, und Ader verschwindet, ist weg - weder er noch sein Boot wurden je gefunden. Das, denke ich mal, ist eine starke Geschichte. Vielleicht lebt er mit Hitler in Südamerika.

Die Ausstellung zeigte zwei Video-Screenings auf Schleife. Bei dem einen hatte ich versucht, mich an die Bilder zu erinnern, die mir die größte Angst eingejagt hatten. Ich dachte an einen Käpitän Nemo Film, den ich als Kind gesehen hatte: in ihm mußte man den Blick durch ein Bullauge miterleben, in einen Raum der sich mit Wasser füllt und in dem jemand ertrinkt, während er immerwieder von innen gegen die Scheibe schlägt. Die Szene hatte mir lange Alpträume verursacht. Ich fand aber nur einen anderen Kapitän Nemo Film, in dem ein Begräbnis unter Wasser - ein memento mori- vorkam. Die Bilder zeigten eine Prozession von Menschen, die auf dem Meeresboden einen Sarg tragen, in diesen alten Taucheranzügen mit riesigen Kugelhelmen.
Das zweite Screening war ein eigener Super8Film eines großen Regensees auf einer Industriebrache: der Ganges, die dritte Welt in Stuttgart um die Ecke. Auf den Bilder passierte nicht viel. Oben links bewegte sich ein Baum.

Also nicht so wirklich direkt Rimbeaud. Aber doch. Was Anderes. Black Box.