Anläßlich der Ausstellung 'Visual Culture' war ich dort eingeladen über die Ergebnisse einer Projektarbeit im Schwerpunktkurs meines Studiums zu sprechen.
Der Text hier ist ein wenig löchrig und steif, aber man bekommt doch mit, worum es geht.
Die Bilder die wir mit unseren Augen sehen, die wir durch unsere mediale Erfahrung, unsere Kenntnisse im Lesen der medialen Codes und durch die Rolle der Medien in unserer Weltaneignung (als Maschinen für unsere Reisen und unser Lernen), schon als Film wahrnehmen - gleichen wir mit Bilder ab, die bereits von anderen produziert wurden.
Die Arbeit, die wir in unserem Kurs unternahmen, war eine Kritik der produzierten Bilder: den Aufgenommenen, Fotografierten, Gemalten, Gezeichneten und Reproduzierten.
Wir begannen dieses Projekt in den letzten vier Semestern mit dem Ansatz eines Archivars oder Sammlers, mit einer gewissenhaften Recherche, mit Versuchen der Unterscheidung und Klassifikation. Wir wollten wissen, was es mit den neuen Bildern auf sich hat. Wir wollten Methoden entwickeln, die Bilder bewerten und einschätzen zu können und objektive Maßstäbe dafür aufzustellen.
Es entstand dann ganz schnell die weiterführende Frage, was die Methoden der digitalen Kreierung der Bilder für Folgen hat.
Beispielhaft kann ich das Vorgehen an unserem eigenen Projekt, der Geschichte des Musikvideos, verdeutlichen. Wir sammelten Clips und Filmsequenzen und begannen mit der Definition von Genres durch folgende Kriterien: Die Rolle, die ein Musiker im Video einnimmt .... Die Bedeutung technische Postproduktion für die visuelle Ästhetik eines Clips, mit einem Schwerpunktinteresse auf dem Umstand wie technologische Neuerungen, ein neuentwickelter Schnitt- oder Mischplatz, ein neues Programm zum Rendern der Bilder einem Clip die ihn bestimmende Bildsprache gibt, oder auch nur eine bestimmte Funktion eines Programmes ein Video ganz ausmacht. Daran interessierte uns dann, wie eine technologische Neueinführung für Monate der wichtigste Wow-Effekt in unzähligen Videos sein kann. (morph)
Klarerweise war für die Endauswahl der Clips oder Kurzfilme oder Auschschnitte, die jetzt in der Arbeit anzusehen sind, am Entscheidensten, das sie vielleicht bedeutsame Repräsentanten eines Stils sind, aber vor allem auch, das wir sie extrem gut fanden.
Auch andere Untersuchungen funktionierten nach der gleichen Vorgehenweise: Sammeln, unterscheiden, klassifizieren.
Diese Analyse der medialen Jetztzeit-Phänomenen wird durch die Kenntnis der Geschichte des Sehens möglich.
Die Annäherung und Entfernung an eine realitätsnahe Abbildung, die Entdeckung, Festschreibung und Auseinandersetzung mit den Perspektivgesetzen, die Erfindung der Fotografie, die Spezifizierung der Berufsstände der Bilderproduzenten, die Erfindung des Films und damit, so überaus wichtig, der Schnittechnik, die sowohl Ineinandergleiten wie auch plötzlichen Aufeinanderprall möglich macht.
Unser Kurs hieß, bevor man solche Bezeichnungen an der Merz Akademie einstellte: Text, Theorie, Konzeption. Sein Gewicht lag also auf der Konsumption und der Produktion von Texten - also auf Lesen, Schreiben und Sprechen.
Wir haben auch viel neuere französische Theorie konsumiert: die üblichen Verdächtigen. Mit Ihnen rüstet sich die seit dem letzten Jahrhundertwechsel entwickelte Zeichenlehre, die Semiotik, die Ikonographie, in der es einen Bezeichnenden und ein Bezeichnetes gibt, auf zu einem große Untersuchungsfeld mit umfangreichem Vokabular.
Ziel ist die sprachliche Erfassung unseres Medienumfeldes, unserer
Bilderumwelt und unserer Soundumwelt.
Ich bin mit dem Fernseher großgeworden. Ich habe viel, viel Ferngesehen.
Nachmittage, Abende, Morgende. Randvoll mit Fernsehbildern. Die beste Methode,
ohne Fernbedienung, ist dabei so nahe vor dem Fernseher zu liegen, das man mit
den Zehen umschalten kan. So beginnt das, was die Zusammenstellung des eigenen
Fernsehprogrammes ist, das eigene Format, entwickelt aus Faszination und Abstoßung,
Langeweile und Interesse, Gefallen und Nicht-So-Sehr.
Das sind Kriterien die irrtümlicherweise noch immer nicht als professionell
gelten, weil sie zu emotional, zu ungesichert sein. Der sogenannte gute
Geschmack ist ja aber tatsächlich eine zweifelhafte Sache.
Ein Wissenschaftler distanziert sich von seinem Gegenstand, er ist ihm Untersuchungsgebiet.
Als Kritiker sagt man: Ja, aber und ist sowas wie ein Trainer, und
kritisiert Dinge die es einem wert erscheinen, sie zu ändern.
Gälte es als Produzent bedingungslos JA zu sagen?
Bedingungslos JA zur eigenen Produktion, zum Umfeld, zum Service? Und als Gestalter, als Designer?
Michael Renner schreibt 1989 im Aufsatz Gestalterischer Umgang mit dem
Computer in dem Buch: Visuelle Komunikation: "Im Gegensatz zum freien Künstler muß der Grafik Designer seine
Mittel rational begündbar einsetzen können. Er muß absichtlich
handeln und präzise einschätzen wie seine Produkte gelesen werden."
Vom Grafik Designer wird Verantwortungsbewußtsein gefordert, weil seine
Arbeiten als Massenprodukt im öffentlichen Raum großen Wirkungen ausüben können.
Wie orientiert sich der Gestalter in einem Gebiet, in dem Kriterien subjektiv
und stark den Einflüssen von Geschmack und Mode ausgesetzt sind?
Der bewußte
Gestaltungsprozeß hilft dem Gestalter über seine erste Idee hinwegzukommen
und durch Erzeugen von Varianten ein Feld von möglichen Lösungen zu überblicken,
um seiner Verantwortung nachzukommen. Durch wiederholte Phasen von Variationen
und Analyse kommt er zu einer absichtlichen Aussage, die objektiv begründbar
wird. Definiert man Absicht nach Villem Flusser mit der Beschleunigung von Zufall,
dann findet man im Computer ein ideales Werkzeug.
Man merkt gleich wie zentral
und schwer das Wort Verantwortung in diesem Textabschnitt steht. An ihm hängt
die treffende Erklärung dessen, was man sonst unter Kreativität versteht.
In dem ganzen Text wird der professionelle Gestalter von all denen,
die durch die demokratisierten technischen Möglichkeiten auch
Schrift neben oder auf Bilder setzen, durch das gewissenhaftes Vorgehen im Forschen
nach möglichen Formen unterschieden. Durch die Verantwortung für das,
was man gelernt hat, wenn man es ernst nimmt und weitergeben will. Wenn er in
seinem Beruf arbeitet ist seine Auflage auch einfach höher als bei Amateuren.
Der Anspruch an den Beruf des Gestalters, der aus diesem Text spricht, ist der
eines Sinnstifters.
Visuelle Kommunikation ist die Orchestrierung zeichensetzender Systeme, Häuser
aus Information, Informationsarchitektur, Informationsrendering und -morphing. Was ist nun der Content? Alles was in der Kommunikation nicht Zeichen ist.
Wie man eine Kultur beginnt? Begint eine Kultur oder ein Fach mit einem neuen Namen?
Der Begriff Visual Culture legt ja nahe, das eine Kultur neu begonnen wurde.
Mit dem Pop, dem letzten großen Zeichenproduzenten, kam die Möglichkeit
mit den Bilder zu spielen, auch mit dem Bild, das man selbst abgibt.
Wie macht man
sich selbst zu seinem Zeichen: Über Kleidung, Frisuren, Habitus setzt
sich ein Bild einer Person zusammen, mit dem sie Zugehörigkeit oder Abgrenzung
zu sozialen Gruppen demonstrieren kann. Und dies gilt nicht nur für die
Jugendkulturen, auch wenn man in ihnen in Stilbildung, -ausprägung und -pflege
am weitesten gehen kann.
Seit den Sechzigern gehört aber das neue Bild zur Jugend und
in dieser Zeit ist die Jugend Revolte. Das neue Bild startet im Fernsehen zu dieser Zeit in Musikformaten,
z.B. im Beatclub, bei dem ein Mischpult Überblendungen ermöglicht.
Genau diese eine technologische Neuerung produziert stilbildende Bildwelten.
Es ist aben nun so, das nicht das Neue das eigentlich interessante ist. Es geht um die Art und Weise der Produktion, wie ein Bild hergestellt wurde,
um den Weg den es zum User geht und die Art und Weise in der es dort ankommt.
Bei allen Formen von Jugendkultur und Kultur geht es um die Feier, nein das Zusammensein,
nicht um technische Skills, die wenn sie überzeugend sind, natürlich
in ihren Bann schlagen.
Es ging, nachzeitig kann ich das jetzt sagen, quasi um die Erprobung eines Fachs,
ein Arbeiten in Gebieten, in denen man nicht nur nach Ergebnissen, sondern auch
nach Instrumenten sucht, in denen die Begriffe noch nicht feststehen.
Die Cultural Studies haben sich ja in den letzten Jahren als Studienfach ungeklärten
Anspruchs etabliert. Ich habe mich in meiner Diplomarbeit von der Bilderbesprechung gelöst um
mal etwas ganz anderes zu besprechen.
Sehr oft ließ sich auch die Unterscheidung zwischen Kultur und
Alltagsleben nicht aufrechhalten. Wenn man nun im Bild lebt, im Bild ist. Wenn man einem Bild ohne Träger, einem Irrläufer begegnet.
Man begegnet visuellen Verhältnisse und visuellen Ideologien.
In der Kunstgeschicht kennt man die Beschreibung einer Entwicklung, durch sich
aufeinanderbeziehende Arbeiten als Prüfung des Gegenstandes der Kunst, ihrer
Inhalte, ihrer Techniken, auch des Momentes zu dem die Kunst erreicht sei.
Die
Kunst hat zum Ziel eine Geborgenheit. Es gibt da also eine Möglichkeit im Bild zu leben. Von der anfänglichen
Betrachtung, das man mit seinen Augen, durch mediale Erfahrung trainiert, eine
Art Film wahrnihmt, eine lange Geschichte bei der man mit Glück eine tragende
Rolle spielt, kommt man so zur Notwendigkeit der Prüfung der Verfasstheit
der Bilder dieses Films auf allen Ebenen.